Die Rede von Andrea Nahles beim Bundesparteitag der SPD in Berlin

Veröffentlicht am 19.10.2008 in SPD Bundesparteitag aktuell

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Gäste, liebe Freundinnen und Freunde der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands und natürlich ganz besonders liebe Genossinnen und Genossen!

Im Namen des Vorstands der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands begrüße ich Sie und begrüße ich euch alle ganz herzlich zu unserem Bundesparteitag hier im schönen Berlin. Wir sind hier zu einem außerordentlichen Parteitag zusammengekommen, um unseren Kanzlerkandidaten zu nominieren. Frank-Walter Steinmeier, herzlich willkommen!

Und wir sind hierher gekommen, um den neuen Parteivorsitzenden zu wählen. Franz Müntefering, schön, dass du da bist!

Das ist aber nicht nur nach der Satzung ein außerordentlicher Parteitag. Er findet auch in einer außerordentlichen Weltlage statt. Die Bundesregierung hat zusammen mit dem Bundesrat in einer Woche ein Rettungspaket mit einem ungewöhnlich schnellen parlamentarischen Verfahren geschnürt Peter Struck wird davon ein Lied singen können und hat damit auch bewiesen, dass unsere Demokratie und auch die Große Koalition handlungsfähig sind. Die außerordentliche Kraftanstrengung aller politischen Ebenen hatte ein ganz wesentliches Ziel, nämlich dass aus der Weltfinanzkrise nicht auch noch eine Weltwirtschaftskrise wird, die viele Menschen bitter treffen würde.
Deswegen sage ich auch selbstbewusst für die Sozialdemokratie: Wir haben uns vor außerordentlichen Herausforderungen nie gescheut. Im Gegenteil: es hat sich oft in der Geschichte dieses Landes gezeigt, dass es in außerordentlichen Krisenzeiten gerade gut ist, wenn die SPD Verantwortung in diesem Land trägt, liebe Genossinnen und Genossen.

Einer, der mit seinem Namen, ja mit seiner ganzen Kanzlerschaft für diese Art von Verantwortung steht, ist Helmut Schmidt. Es ist mir eine ganz besondere Freude, ihn heute hier bei uns begrüßen zu dürfen.

Helmut Schmidt steht beispielhaft für die Sozialdemokraten, die schon früh und nachhaltig vor den Folgen eines ungehemmten Kasino-Kapitalismus gewarnt haben. Auch deswegen gebührt ihm unser Dank.
Interessant ist es ja schon, wie schnell sich die Debattenlage wandelt. Ich kann mich noch erinnern, Peer Steinbrück ist etwas frustriert von Heiligendamm zurückgekommen. Ich darf es an dieser Stelle sagen wir sind ja unter uns: Er hat ein bisschen geflucht. Nämlich deswegen, weil diejenigen, die sich momentan als die Helden der Rettung der Finanzmärkte darstellen die Regierungen der USA und von Großbritannien, sich in Heiligendamm noch beharrlich geweigert haben, rechtzeitig, bevor die Krise ausgebrochen ist, mehr Regeln für Transparenz und Spielregeln für die freien Märkte zu organisieren. Ich danke dir, Peer, dass du damals vorausschauender gehandelt hast, und ich danke dir und deinem Team auch für das Krisenmanagement der letzten Tage.

Es gibt eine Kraft, die seit 140 Jahren nicht müde geworden ist, dem freien Spiel des Marktes Spielregeln zu geben, nämlich die Sozialdemokratische Partei Deutschlands. Weiß Gott, wir haben uns auch über den Kapitalismus nie Illusionen gemacht. Wir haben ihm doch das soziale Sicherungssystem und die Mitbestimmung in diesem Land abgetrotzt. Darauf dürfen wir in diesen Tagen auch stolz sein, liebe Genossinnen und Genossen.

Im Hamburger Programm haben wir formuliert, dass die Jagd nach schnellen und hohen Renditen allzu oft Arbeitsplätze vernichtet und Innovationen verhindert. Wir haben im Hamburger Programm klar gesagt: Kapital muss der Wertschöpfung, Kapital muss dem Wohlstand, Kapital muss den Menschen dienen. Das ist die Aufgabe. Nicht nur bei den Finanzmärkten hat das Hamburger Programm, hat der Hamburger Parteitag für uns wesentliche programmatische Leitlinien definiert. Das bleibt für mich auch das wichtigste Verdienst von Kurt Beck, dem ich an dieser Stelle für seine Arbeit herzlich danken möchte. Als Rheinland-Pfälzerin und als Sozialdemokratin füge ich hinzu: Er wird auch in Zukunft eine wichtige Rolle in dieser Partei spielen.

Keine Partei ist so sehr mit der Arbeitnehmerschaft verbunden wie die SPD. Wer schafft denn eigentlich die Werte? - Ich glaube, das sind gute Unternehmer, die Arbeitsplätze schaffen und für die Arbeitsplätze auch in schwierigen Situationen der Mittelpunkt ihres unternehmerischen Tuns sind. Aber natürlich schaffen reale Werte auch die hart arbeitenden Menschen - oder um es knapp zu sagen mit Franz Müntefering, der den Begriff geprägt hat: Werte schafft in unserer Gesellschaft der Mensch und nicht die Heuschrecke!

Das hat Franz Müntefering als einer der Ersten gesagt. Er hat schon recht früh, nämlich 2005, auf hoch riskante kurzfristige Finanzanlagen hingewiesen. Was haben die von der Union damals gespuckt! Der so genannte mittelstandspolitische Sprecher Dr. Michael Fuchs hat am 21. April 2005 im Deutschen Bundestag die Warnung an Franz Müntefering ausgesprochen, der Markt würde sich am Ende immer durchsetzen. Er hat sich sogar man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen zu folgendem Satz verstiegen: Er hat gesagt: „Der Markt ist stärker als der Staat“. Das war damals schon falsch und ist heute erst recht falsch, liebe Genossinnen und Genossen.

Um es klar zu sagen: Für die Heuschrecken mag Arbeit nur noch Verfügungsmasse sein. Aber für die SPD gilt: Wir wissen, was Arbeit wert ist. Wir wollen, dass sie anerkannt wird. Wir wollen nicht nur Jobs um jeden Preis, egal wie schlecht sie sind. Wir wollen gute Arbeit. Wir wollen flächendeckende Mindestlöhne. Wir sind die Arbeitnehmerpartei in Deutschland, liebe Genossinnen und Genossen.

Weil es uns um Arbeitsplätze geht, muss nach dem Rettungspaket für die Banken auch ein Wachstums- und Konjunkturpaket aufgelegt werden. Damit jetzt nicht aus lauter Sorge vor der Zukunft alle auf die Bremse latschen: die Konsumenten, die Unternehmer, der Staat. Wenn alle gleichzeitig auf die Bremse latschen, dann kommt unsere Volkswirtschaft ins Schlingern. Das darf nicht passieren. Deswegen brauchen wir in den nächsten Monaten auch konjunkturelle Impulse, liebe Genossinnen und Genossen.

Ich begrüße die schmucke Riege ich darf es so sagen - der Gewerkschaftsvertreter. Das ist eine Augenweide: Konrad Freiberg, Hubertus Schmoldt, Michael Sommer, Frank Bsirske, Berthold Huber und Franz-Josef Möllenberg. Ich freue mich, dass ihr da seid, weil wir gerade in diesen Zeiten wissen, dass wir auch auf der europäischen Ebene für die gute Mitbestimmung, die wir hier in Deutschland haben, werden fighten müssen. Ihr wisst, dass wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten in dieser Auseinandersetzung an eurer Seite stehen werden.

Ich begrüße auch Herbert Ehrenberg. Wir stehen zu unseren Sozialstaat. Die umlagefinanzierte Rente hat zwei Inflationen überlebt. Sie wird auch diese Krise überleben. Ohne SPD würde es doch gar keinen Krisenfesten Sozialstaat geben.

Ich denke, wir haben es uns in den letzten Monaten manchmal selbst sehr schwer gemacht - und wir haben auch noch alle dabei zugucken lassen. Aber ich bin trotzdem der Meinung, dass wir mit Selbstbewusstsein in das Wahljahr 2009 gehen können. Nach 20 Jahren SPD kann ich nur sagen: Die SPD hat keine Mängel, die durch ihre Vorzüge nicht wieder wettgemacht werden könnten.

Und besser noch: Wir sind in der deutschen Parteienlandschaft unverzichtbar.

Wer außer uns bringt kritischen Geist und praktischen Gestaltungswillen so zusammen wie die Sozialdemokraten? Der FDP, die jahrelang dem Neoliberalismus gefrönt hat, sage ich: Die Westerwelle-FDP hat abgewirtschaftet; ich hoffe, ihr besinnt euch auf eure gute liberalen Traditionen. Das wäre ein Gewinn für Deutschland. Aber neoliberale Politik brauchen wir in diesen Tagen nicht.
Und zur Linkspartei sage ich: Die tarnen sich jetzt als Verantwortungspartei. In Wirklichkeit diskutieren sie intern immer noch darüber, ob sie überhaupt Verantwortung für dieses Land tragen wollen. Ich sage euch ganz klar: Eine Partei, die sich nicht zwischen Politikmachen und Populismus entscheiden kann, brauchen wir in Deutschland nicht, liebe Genossinnen und Genossen.

Billige Populisten haben wir ohnehin genug. Heute Mittag marschiert die NPD wieder durch Stadtteile in Berlin. Mit scheinbar antikapitalistischen und sozialen Parolen kämpft die NPD. Leider hat sie damit nur zu oft Erfolg.
Deswegen richte ich heute meinen Dank an die Bürgerinnen und Bürger, die sich immer wieder dagegenstellen, wie das heute in Berlin der Fall sein wird, aber auch wie es neulich in Köln der Fall war. Ganz klar, für uns Sozialdemokraten gilt: Rassismus und Rechtsextremismus werden wir Sozialdemokraten in Deutschland und Europa uns immer entgegenstellen, und wir werden auch immer die Menschen unterstützen, die sich dem entgegenstellen.

Kommen wir zur CDU - nein, nein kommen wir zur CDU/CSU. Es sind nämlich zwei Parteien. Michael Glos hat Angela Merkel zum Geburtstag gelobt: Sie wisse, dass Auerhähne am besten beim Balzen geschossen würden. Auf die Männer im eigenen Laden gemünzt hat er zu ihr gesagt, sie sei die geduldige Jägerin der balzenden Auerhähne. Jetzt muss man wissen: Auerhähne gibt es in Deutschland nur noch in Bayern. Ich muss Frau Merkel warnen ich habe mich im Tierlexikon mal über balzende Auerhähne schlau gemacht: Während der Balz erreicht der Testosteronspiegel des Auerhahns das Hundertfache seines Normalwertes; manche Tiere greifen sogar Menschen an, die ihr Revier betreten. Solche Attacken seien keine Legenden, sondern vielfach verbürgt.
Die Wahrheit ist: Die Jägerin Merkel ist längst zur Gejagten der bayerischen Gockel geworden, liebe Genossinnen und Genossen. Das ist die Wahrheit.

Wir sehen es bei der Erbschaftsteuer, wo die CSU die CDU an den Rand der Handlungsfähigkeit treibt. Aber wir werden nicht nachlassen. Wo kommen wir denn eigentlich hin, wenn CDU und CSU den „normalen Steuerzahler“ für interne Konflikte bezahlen lassen? Denn wenn die Erbschaftsteuer jetzt wegfällt, weil die CSU sie verhindern will, dann sind es die normalen Steuerzahler, die in Zukunft die Bildungsausgaben in den Ländern finanzieren müssen. Wir werden das nicht zulassen, liebe Genossinnen und Genossen. Die Erbschaftsteuer muss kommen.

Das alles zeigt: Die SPD wird gebraucht. Wir werden in der Regierung gebraucht. Wir brauchen eine sozialdemokratisch geführte Regierung.

Deswegen nominieren wir heute den Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier. Ich habe mich als alte Juso- Frau mal über dein Vorleben schlau gemacht, Frank-Walter. Dabei bin ich auf Klaus Uwe Benneter gestoßen. Klaus, wo bist du? Klaus Uwe, du wärest falsch schuld daran gewesen, dass wir heute hier niemanden zum Nominieren gehabt hätten. 1975 hat Frank eine Solidaritätsresolution für dich unterschrieben und wäre glatt fast aus der Partei geflogen. Aber zum Glück hat das irgendein kluger Sozialdemokrat verhindert.
Ich sage: Frank-Walter ist einer, dem wir vertrauen; Frank-Walter ist einer, dem die Menschen vertrauen. Vertrauen ist die wichtigste Ressource, die unser Land jetzt dringend braucht.

Außerdem steht Frank-Walter für Verantwortung. Er nimmt Verantwortung an. Das hat er über viele, viele Jahre gezeigt. Er duckt sich nicht weg, wenn schwierige Aufgaben kommen. Deswegen sage ich: So jemanden brauchen wir in Deutschland - gerade jetzt!

Und ich füge einen ganz kleinen Satz hinzu: Frank, du machst das!

Ich stelle mir den 27. September 2009 vor, 18.10 Uhr: Da steht der vierte sozialdemokratische Bundeskanzler der Bundesrepublik und freut sich über seinen Wahlsieg. Und mitten auf der Bühne steht der dritte sozialdemokratische Bundeskanzler und lacht dazu. Ich begrüße ganz herzlich Gerhard Schröder in unserer Mitte.

Wir freuen uns besonders, dass heute die Frau unseres zukünftigen Kanzlers unter uns weilt. Ich begrüße Elke Büdenbender.

Hans-Jochen Vogel, ich erinnere mich noch gut an deine Rede zum Jahrestag des Ermächtigungsgesetzes am 10. April im Deutschen Bundestag, und ich möchte dir sagen, dass uns das alle sehr beeindruckt hat und uns allen wieder Kraft gegeben hat. Auch sonst sind deine Beiträge immer willkommen. Schön, dass du hier bist!

Erhard Eppler meldet sich meistens schriftlich zu Wort. Er hat jetzt wieder ein neues Buch vorgelegt und wird uns auch damit wieder sehr zum Nachdenken bringen. Das ist im Alltag immer wieder ganz wichtig. Ich freue mich, dass du da bist.

Ich begrüße die Vertreter der Wirtschaft auf unserem Parteitag, stellvertretend für alle Hanns-Eberhard Schleyer vom Zentralverband des Deutschen Handwerks und Martin Wansleben vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag. Schön, dass Sie da sind!

Ich begrüße stellvertretend für die Gäste von den Kirchen Herrn Prälat Karl Jüsten von der Katholischen Kirche. Es freut mich! Na komm, steh einmal auf!

Und ich begrüße Jean Asselborn. Wir haben uns eben schon begrüßt. Ein wahrhaft europäischer Sozialdemokrat und Freund der deutschen Sozialdemokratie. Er hat es sich nicht nehmen lassen, heute aus Luxemburg hierher zu kommen. Schön, dass du da bist!

Und ich begrüße Clemens Prokop, den Präsidenten des Deutschen Leichtathletikverbandes. Nächstes Jahr ist hier WM der Leichtathletik in Berlin. Vergesst das bitte nicht!

Und vergesst mir vor allem die Europawahlen nicht, liebe Genossinnen und Genossen, liebe Wählerinnen und Wähler, liebe Bürgerinnen und Bürger. Martin Schulz, ich begrüße unseren wichtigsten Mann in Europa. Schön, dass du da bist!

Liebe Genossinnen und Genossen, ich möchte auch allen danken, die diesen Parteitag vorbereitet haben, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ganz besonders. Weil sie nachher sofort wieder alles abbauen müssen, lasst uns heute am Anfang doch einmal denen, die das hier alles organisieren, einen kräftigen Applaus geben. Darüber freuen sie sich.

Stellvertretend möchte ich Roland Klapprodt nennen, der das mit organisiert hat.
Wir wählen jetzt das Parteitagspräsidium. Ihr findet den Vorschlag in Unterlage 2, oder seht einfach nach vorn. Das Parteitagspräsidium, das wir euch vorschlagen, setzt sich zusammen aus Susanne Kastner, Hannelore Kraft, Olaf Scholz, Martin Schulz, Klaus Wowereit. Hierüber müssen wir formal abstimmen; das ist eine kleine gymnastische Übung. Deswegen frage ich euch: Wer stimmt gegen das von uns vorgeschlagene Parteipräsidium? Es ist ja noch früh am Morgen. Wer enthält sich? - Ich darf das als einstimmiges Votum für euch werten und bitte das Tagespräsidium, seine Arbeit aufzunehmen. Der Parteitag ist eröffnet! Ich übergebe das Wort an Martin Schulz.

 
 

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